Geisel

Geisel

* * *

Gei|sel ['gai̮zl̩], die; -, -n:
Person, die zu dem Zweck gefangen genommen und festgehalten wird, dass für ihre Freilassung bestimmte Forderungen erfüllt werden:
jmdn. als/zur Geisel nehmen; sie war wochenlang als Geisel festgehalten worden.

* * *

Gei|sel 〈f. 21; früher a. m. 5Person, deren Freilassung od. körperliche Unversehrtheit davon abhängt, dass Lösegeld gezahlt wird, politische Forderungen o. Ä. erfüllt werden [<ahd. gisal <idg. *gheis(t)lo- „Bürgschaftsgefangener“; zu *gheis-, *ghis- „bürgen, Pfand“]

* * *

Gei|sel , die; -, -n, (veraltet:) der; -s, - [mhd. gīsel, ahd. gīsal, wohl aus dem Kelt., eigtl. = Pfand]:
Person, die zu dem Zweck gefangen genommen, festgehalten wird, dass für ihre Freilassung bestimmte, gegen einen Dritten gerichtete Forderungen erfüllt werden:
-n stellen;
jmdn. als, zur G. nehmen.

* * *

I
Geisel
 
[althochdeutsch gīsal, wohl aus dem Keltischen, eigentlich »Pfand«] die, -/-n, selten auch der, -s/-, Recht: allgemein eine gewaltsam und widerrechtlich ergriffene und festgehaltene Person, durch deren Festhaltung und Bedrohung der Geiselnehmer Forderungen gegen Dritte durchsetzen will. In der Rechtsgeschichte ist Geisel eine Person, die mit Leib oder Leben für die Erfüllung der Verbindlichkeit einer anderen Person haftet (»Menschenpfand«). Wesentlich für das so gut wie allen ursprünglichen Rechtsordnungen bekannte Verfahren war die Sicherung eines Rechtsanspruchs, weshalb der Geisel während der Geiselnahme nicht nur ihre Rechte in vollem Umfang erhalten blieben, sondern ihr vielfach sogar eine bevorzugte Stellung vom Geiselherrn eingeräumt wurde. Bei Geiselverfall haftete die Geisel zunächst grundsätzlich mit ihrem Leben, seit dem Mittelalter wohl nur noch in Form von Kerkerhaft (eventuell mit Lösegeldbestimmung). Für den Privatrechtsverkehr lässt die dürftige Quellenlage keine konkreten Aussagen zum Geiselproblem zu (nicht hierzu rechnet die Schuldknechtschaft).
 
Herausragende Bedeutung hatten Geiseln seit alters im Völkerrecht zur Sicherung insbesondere von Friedensverträgen. So berichtet Caesar über Gestellung von Geiseln. Der Friedensschluss Kaiser Friedrichs I. mit Mailand wurde durch 300 Geiseln gesichert. Den letzten Geiselvertrag in Europa schlossen England und Frankreich 1748. Entsprechend dem Zweck dieser Abkommen waren die Geiseln regelmäßig von hohem Rang (Angehörige des Herrschergeschlechts, Thronfolger, Adlige). Vom Geiselvertrag zu unterscheiden ist die einseitige Geiselnahme als völkerrechtliches Druckmittel im Krieg zur Abwendung feindseligen Verhaltens der besiegten Bevölkerung. Art und Umfang der kriegerischen Geiselnahme waren bis in die jüngste Zeit hinein umstritten. Die Haager Landkriegsordnung von 1907 regelte sie nicht, das Genfer Abkommen von 1929 beschränkte sich auf das Verbot der Geiselnahme von Kriegsgefangenen. Noch im Zweiten Weltkrieg wurde die Geiselnahme als erlaubter Kriegsbrauch betrachtet, sowohl als vorbeugende Maßnahme wie als Repressalie. Selbst die Tötung von Geiseln wurde unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig angesehen. Obwohl das Statut für den Internationalen Militärgerichtshof vom 8. 8. 1945 Geiseltötungen grundsätzlich als Kriegsverbrechen qualifiziert hatte, entschied das amerikanische Militärtribunal Nummer V im »Geiselprozess« (Prozess Nummer VII), dass die Tötung von Geiseln unter besonderen Bedingungen und sehr engen Voraussetzungen erlaubt gewesen sei. Die Erfahrung barbarischer Geiselerschießungen im Zweiten Weltkrieg hat zum uneingeschränkten Verbot der Geiselnahme in Art. 34 des Genfer Abkommens zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. 8. 1949 geführt.
 
Eine neue Dimension erreichte die Geiselnahme seit den 1970er-Jahren, indem v. a. terroristische Gruppen versuchen, ihre vorgeblich politischen Ziele mit der Gefangennahme von Personen durchzusetzen. Spektakuläre Beispiele sind u. a. die Entführung und Ermordung des deutschen Industriemanagers H.-M. Schleyer 1977 durch die »Rote-Armee-Fraktion« sowie des italienischen Politikers A. Moro durch die »Roten Brigaden« 1978, die Besetzung der Botschaft der USA in der iranischen Hauptstadt Teheran durch »revolutionäre Garden« des Iran 1979—81 und die Geiselnahme in der japanischen Botschaft in Lima (Peru) durch Einheiten der »Tupac Amaru« 1996/97. In Ländern und Regionen politischer Instabilität sind Geiselnahmen häufig (so in der Zeit des Libanonkonflikts im Nahen Osten oder in den Bürgerkriegen Lateinamerikas). In den 1990er-Jahren waren davon auch Touristen betroffen (u. a. in Kaschmir und im Jemen).
 
Eine Form der Geiselnahme bildet die Luftpiraterie (»Hijacking«). Die von ihr ausgehende Gefährdung des internationalen Luftverkehrs hat die Staatengemeinschaft zu Maßnahmen auch rechtlicher Art veranlasst, denen sich auch Staaten anzuschließen scheinen, die mit den Zielen der Täter sympathisieren. Das von der 34. Generalversammlung der UNO verabschiedete »Internationale Übereinkommen gegen Geiselnahme« vom 17. 12. 1979 bekräftigt die Verantwortlichkeit des Staates, in dem die Tat begangen wird oder sich ein Tatverdächtiger aufhält, für die strafrechtliche Verfolgung des Geiselnehmers. Dieses Übereinkommen bemüht sich, die Verhütung von Geiselnahmen sowie die Bestrafung aller derjenigen Geiselnahmen zu erreichen, die sich nicht auf das Gebiet eines Staates beschränken und nicht im Zuge eines bewaffneten Konfliktes erfolgen. Der Gebietsstaat hat die Geiselnahme unter Strafe zu stellen und entweder selbst die Strafverfolgung durchzuführen oder sie als einen die Auslieferung begründenden Tatbestand anzuerkennen. Geiselnahmen in einem internationalen bewaffneten Konflikt und in einem bewaffneten Konflikt, in dem »Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen«, unterliegen dem Kriegsrecht, v. a. dem Genfer Abkommen von 1949 und den Zusatzprotokollen von 1977; danach ist die Geiselnahme uneingeschränkt verboten. Der Sicherheitsrat der UNO hat sich am 17. 12. 1985 auf eine Resolution geeinigt, in der »alle Akte von Geiselnahme und Entführung« verurteilt werden. Am 9. 12. 1985 hatte auch die UNO-Vollversammlung eine Resolution verabschiedet, in der erstmals ausdrücklich die terroristische Geiselnahme verurteilt wird.
 
In der Resolution des Sicherheitsrates werden alle Staaten, auf deren Territorium Geiseln oder entführte Personen festgehalten werden, dringend aufgefordert, alle Maßnahmen für ihre Freilassung zu ergreifen und Geiselnahmen künftig zu verhindern. Die sofortige Freilassung aller Geiseln wird gefordert, gleich, wo und von wem sie festgehalten werden. Außerdem wird die Völkergemeinschaft aufgefordert, bei der Entwicklung und Annahme effektiver Maßnahmen zur Verhinderung, Verfolgung und Bestrafung derartiger terroristischer Akte zusammenzuarbeiten.
II
Geisel,
 
Ernesto, brasilianischer General und Politiker, * Bento Gonçalves (Rio Grande do Sul) 3. 8. 1908, ✝ Rio de Janeiro 12. 9. 1996; war 1964 am Sturz Präsident J. Goularts beteiligt, 1964-67 Vorsitzender des Militärkabinetts des Präsidenten, 1967-69 Richter am »Obersten Militärgericht« und 1969-73 Präsident der staatlichen Mineralölgesellschaft Petrobrás. Als Staatspräsident (1974-79) leitete er eine Auflockerung der diktatorischen Militärherrschaft ein.

* * *

Gei|sel, die; -, -n, (selten:) der; -s, - [mhd. gīsel, ahd. gīsal, wohl aus dem Kelt., eigtl. = Pfand]: Person, die zu dem Zweck gefangen genommen, festgehalten wird, dass für ihre Freilassung bestimmte, gegen einen Dritten gerichtete Forderungen erfüllt werden: -n stellen; jmdn. als, zur G. nehmen; Ü Gleichzeitig machte er den SALT-Vertrag zur G. dieses Truppenstreits und verband die Ratifizierung des Rüstungskontrollabkommens mit dem Abzug der Brigade (Saarbr. Zeitung 3. 10. 79, 2); ∙ Ich verwahre sie zum G. deines Tyrannenmords (Schiller, Fiesco I, 12).

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Geisel — Geisel …   Deutsch Wörterbuch

  • GEISEL (E.) — GEISEL ERNESTO (1908 1996) Né dans l’État du Rio Grande do Sul, au sein d’une famille luthérienne d’origine allemande, Ernesto Geisel, tout comme deux de ses frères, choisit la carrière des armes. Jeune sous officier, il finit ses études à… …   Encyclopédie Universelle

  • Geisel — Smf std. (8. Jh.), mhd. gīsel m./n., ahd. gīsal m., as. gīsal m. Aus g. * geisla m. Geisel , auch in anord. gísl m., ae. gīsel, gӯsel m. Außergermanisch vergleicht sich ig. (weur.) * gheistlo in air. gíall m., kymr. gwystl Geisel . Der Ablaut zu… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Geisel — is a surname, and may refer to:* Theodor Seuss Geisel (1904–1991), otherwise known as Dr. Seuss, a popular children s author. * Ernesto Geisel (1908 1996), a Brazilian military general and politician.surname …   Wikipedia

  • Geisel — Geisel: Der altgerm. Ausdruck für »Leibbürge« (mhd. gīsel, ahd. gīsal, mniederl. ghīsel, aengl. gīs‹e›l, aisl. gīsl) stammt wahrscheinlich aus dem Kelt., vgl. air. gīall »Geisel«, kymr. gwystl »Geisel«. Über andere aus dem Kelt. entlehnte Wörter… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Geisel — Geisel, 1) s. Geißel; 2) Fruchtmaß, so v.w. Gaißel …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Geisel — (lat. Obses) heißt der mit seiner Person für die Erfüllung eines Vertrags Bürgschaft Leistende. Betrifft die Bürgschaft einen Privatvertrag, so heißt der mit seiner Person dafür Einstehende Leibbürge (vgl. Bürgschaft). Geiseln wurden besonders… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Geisel — Geisel, Ernesto …   Enciclopedia Universal

  • Geisel — [gī′zəl] Theodor Seuss [so͞os] (pseud. Dr. Seuss) 1904 91; U.S. writer & illustrator, esp. of children s books …   English World dictionary

  • Geisel — 1. Wer nur der Geisel folgt, macht sich zum Sklaven. 2. Wer sich seine Geisel selber flicht, muss nicht über Striemen klagen. Frz.: C est fouet gref et félon d estre bastu de son baston. (Leroux, II, 193.) *3. Den Geissel essen. (S. ⇨… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”